• Collage aus einer Karte und einem Porträt
    Porträt des Vorträgers | Kartons mit menschlichen Überresten an der Universität Göttingen © Jonatan Kurzwelly

Over their dead bodies: »Race«, »Ethnizität« und die Grenzen der Gerechtigkeit im zeitgenössischen Umgang mit menschlichen Überresten aus der Kolonialzeit

Lucian Scherman Lecture mit Dr. Jonatan Kurzwelly, Frankfurt am Main
Donnerstag, 5. Dezember 2024, 19 Uhr

In der Vergangenheit haben menschliche Überreste – insbesondere Schädel – dazu gedient, verschiedene Formen der wissenschaftlichen Rassifizierung und des Rassismus zu erzeugen. Auf diese Weise wurden Menschen auf fixe Vorstellungen von Identität reduziert und gewaltsame Systeme der Ausbeutung und Unterdrückung legitimiert. Universitäten und Museen haben Tausende von sterblichen Überresten aus der ganzen Welt angesammelt, von Menschen, die in der Vergangenheit oft direkt oder indirekt zahlreichen Formen von Ungerechtigkeit ausgesetzt waren.

Der heutige Umgang mit diesen »human remains« will die problematische, gewaltsame Vergangenheit aufarbeiten und sühnen, indem die Provenienz bestimmter menschlicher Überreste untersucht wird, was häufig in deren Restitution mündet. Ungeachtet der unterschiedlichen Motivationen des derzeitigen Umgangs mit sterblichen Überresten stützt sich dieser oft auf essentialistische Kategorisierungen und ungenaue oder fehlerhafte Annahmen. In seinem Vortrag problematisiert Dr. Jonatan Kurzwelly diesen sozialen Essenzialismus ebenso wie biologistische Konzepte von Rasse und Ethnizität im früheren und heutigen Umgang mit solchen Überresten. Er stellt die Frage, ob und wieviel soziale Gerechtigkeit mit der derzeitigen Praxis überhaupt erreicht werden kann, wenn diese auf einer fehlerhaften Logik beruht.

Jonatan Kurzwelly leitet am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung ein von der DFG gefördertes Projekt zu Widersprüchen in Deradikalisierungsprozessen. Gleichzeitig ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of the Free State in Bloemfontein, Südafrika. Zuvor forschte er als Postdoktorand im Projekt Sensible Provenienzen an der Universität Göttingen über den zeitgenössischen Umgang mit menschlichen Überresten aus kolonialen Kontexten. In seiner Forschung und seinen Schriften untersucht er verschiedene Aspekte persönlicher und sozialer Identitäten, Essentialismus, Nationalismus, Radikalisierung, Identitätspolitik und wendet verschiedene experimentelle und kollaborative Forschungsmethoden an. Er ist Vorsitzender der Kommission für das Studium von Differenz, Diskriminierung und Marginalisierung der Internationalen Union der Anthropologischen und Ethnologischen Wissenschaften (SDDM-IUAES).

Datum
Donnerstag, 5. Dezember 2024
19 Uhr

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Der Eintritt ist frei.